Die Aachener Campusbahn, um jeden Preis?

Am 19.12.2012 fiel die Entscheidung im Rat der Stadt Aachen mit 65 Ja-Stimmen und 8 Nein-Stimmen (FDP) in einer Abstimmung für die Campusbahn, dem sogenannten Jahrhundertprojekt. Diese Abstimmung wurde auch als historisch bezeichnet. Auch soll es eine wertvolle Investition in die Zukunft sein und eine Aufwertung für die Stadt bedeuten. Jedoch kann und soll der Bürger auch darüber abstimmen und zwar in einem sogenannten Ratsbürgerentscheid. Eine Abstimmung über das Projekt Campusbahn wurde vom Rat der Stadt für März 2013 festgelegt. Dabei wurden die Regeln gemindert und zwar von einer 20%-tigen auf eine 10%-tige Zustimmung oder Ablehnung der Campusbahn. Soll heißen, von 190000 Einwohner soll die Zahl 19000 Wähler mindestens für oder gegen das Projekt abstimmen.

Dieses Projekt hat ein Kostenvolumen von 243 Millionen Euro, wobei die Stadt Aachen davon 130 Millionen Euro schultern soll. Das ist wahrlich eine immense Summe mit der sich die Stadt belasten will, obwohl die Grenze des belastbaren für den Stadthaushalt schon jetzt erreicht ist. Und dann kommen noch 6,5 Millionen Euro als jährliche Mehrbelastung hinzu. Also wenn ich im Rat der Stadt meine Stimme dafür abgeben sollte, würde ich sicherlich weiche Knie haben. Man muss sich die Frage stellen, wurde vielleicht zu schnell entschieden und hat man ausführlich ein Für und Wider betrachtet?

Die Befürworter bekunden offen in Leserbriefen an die Aachener Zeitung, dass die Gegner der Campusbahn Blockierer und Neinsager sind, die die große Chance für Aachen einfach nicht erkennen wollen. Auch hätten die Gegner, so einige Zuschriften, einfach keine Alternativen zum geplanten Jahrhundertprojekt. Vielleicht haben sich die Gegner einfach nur mehr Gedanken gemacht und das Projekt losgelöst von allen Zwängen und Einflüssen bewertet. Bei der Aussage einiger Befürworter das die Gegner einfach keine Alternativen haben, kann ich nur entgegnen, dass dieses eher auf die Befürworter zutrifft, also einfach nur in eine Richtung schauen, was ihre Campusbahn betrifft. Die Menschen, die für die Campusbahn sind, sagen, die öffentliche Straßenbahn muss den steigenden Beförderungszahlen gerecht werden, schnell sein und für den Bürger bezahlbar sein. Bei diesen Aussagen hege ich erhebliche Zweifel und die werden durch schönfärben und schönreden der idealisierten Aussagen nicht ausräumen.

Aber wieso eigentlich Campusbahn? Die Bedeutung dieses Projektes soll eine optimierte Aufmachung mit dem Begriff Campus signalisieren, obwohl diese Bahn doch bestimmt nicht für den neu entstehenden Campus erdacht wurde oder? Warum nennt man die Straßenbahn nicht einfach Stadtbahn, das kommt der Sache sicher einen Schritt näher, aber ändert auch nichts an den Gegebenheiten.

Erlaubt muss sein zu fragen, warum wurde die Straßenbahn 1972 in Aachen eigentlich abgeschafft?  Es scheint mir so zu sein, dass sich niemand mehr daran erinnern möchte. Ja, sie wurde abgeschafft, um dem Individualverkehr mehr Entwicklungsmöglichkeit zu geben. Denn die Straßenbahn in Aachen behinderte den Verkehr sehr stark und verursachte im Betrieb hohe Erhaltungskosten. Warum soll es im engen Aachen und bei gestiegenen Zahlen von Kraftfahrzeugen heute anders sein oder anders gefragt, wodurch wollen die Befürworter eine Veränderung gegenüber damals erreichen? Ganz klar wäre ich sofort für die Stadtbahn, wenn diese auf einer eigenen, unabhängigen Gleistrasse fahren würde und wirklich dann auch Vorteile hätte. Aber das alles ist nicht der Fall.

Bei einer Realisierung des Jahrhundertprojekts würden uns einige unangenehme Dinge betreffen.

  • Bei einer Steigerung der Entstehungskosten wäre die Stadt in erheblichem Umfang mit beteiligt und müsste einige Kröten schlucken, was die Mehrkosten betrifft
  • Eine Vernachlässigung anderer städtischer Projekte würden sich ergeben, obwohl jetzt schon einiges im argen liegt
  • Steuererhöhungen kommen auf die Bürger und auch die Firmen in Aachen zu
  • Letztendlich kommt die Stadt oder auch die ASEAG an Fahrpreiserhöhungen nicht vorbei

Wollen die Politiker das alles so einfach wegstecken? Will der Bürger das alles hinnehmen?

  • Der Erhalt dieser Stadtbahn erfordert hohe Folgekosten (siehe Fahrpreiserhöhungen)
  • Es wäre zwar eine schöne Bahn, jedoch würde der Betrieb den Individualverkehr stark negativ beeinträchtigen
  • Die Zweispurigkeit der Straßen, wo gegeben, wäre zumindest deutlich eingeschränkt, die Gleise zerschneiden die Straße
  • Zusätzlicher Stopp and Go Verkehr durch die Haltestellen, denn der andere Verkehr muss stoppen, es gibt natürlich keine Haltebuchten für die Bahn wie bei Bussen
  • Was machen alte Leute und Behinderte, die in die Bahn einsteigen wollen, welche sich mitten in der Straße befindet?
  • Wie reagieren die Fahrgäste auf Fahrpreiserhöhungen

Es gibt einfach zurzeit kein abgestimmtes Verkehrskonzept (Individualverkehr, Busse, Stadtbahn) in Aachen, was durch die Campusbahn entscheidend positiv beeinflusst werden könnte. Ich weiß auch nicht, ob man bei einem Stau besser im Bus oder in der Bahn sitzt. Es ist somit in der Planung nicht eindeutig schlüssig, das ist meine Meinung als Stadtbahngegner.

Es gibt sinnvolle Alternativen zur Stadtbahn, die teilweise auch schon von der ASEAG betrieben werden oder sich zumindest im Probedienst befinden. Für den Betrieb von Bussen durch die Hybridtechnik, also im Mischbetrieb Elektro-Kraftstoff-Antrieb. Ein Betrieb mittels Brennstoffzelle, welche bei der Wasserstoff-Sauerstoff Technik gut erforscht ist und gegenüber Verbrennungsantrieben auch noch einen höheren Wirkungsgrad haben, ist möglich. Auch ist bei der Brennstoffzelle ist ein organischer Brennstoff wie Methan oder Methanol einsetzbar. Die erzeugte elektrische Energie wird dem Elektromotor (Motoren) zugeführt, der als Fahrzeugantrieb fungiert. Diese so angetriebenen Busse erzeugen kein CO2 oder andere die Umwelt belastenden Abgase. Der „Long Wajong“ von Aachen ist ein guter Ansatz wie ich finde. Also, es gibt Alternativen, auch wenn die Gegner sagen, das es eine teure Technik ist, aber jede Technik wird ständig weiterentwickelt, was dabei auch meistens mit Kostensenkungen verbunden ist. Der teilweise geplante Batteriebetrieb der Stadtbahn ist auch nicht so ganz ohne, also sehr kostenintensiv. Und die Bahn sowieso.

Es geht deswegen nicht darum nur einfach nein zu sagen oder ein Blockierer zu sein. Tatsachen sind einfach nicht so einfach vom Tisch zu wischen, sondern man muss sich damit auseinandersetzen. Wenn ein Projekt dieser Größenordnung beschlossen wird, muss es finanzierbar sein, es muss in ein Verkehrskonzept passen und wirklichen Nutzen bringen und nicht nur einfach toll sein. Auch die Folgekosten müssen sorgsam gewichtet werden. Deswegen sehe ich das Projekt zumindest als fraglich an. Sehr schwer integrierbar in das Aachener Verkehrskonzept ist es allemal, bedingt durch die Bausubstanz, die breitere Fahrbahnen nicht zulässt und somit überhaupt nicht die Vorteile von Straßenbahnen ausschöpfen kann.

Fazit:

Es wäre sicher toll eine Stadtbahn zu haben, jedoch nicht mit diesen Entstehungskosten und hohen Betriebskosten. Auch würde die Bahn einfach nicht ihr Potential als umweltfreundliches Beförderungsmittel bei der gegebenen Verkehrssituation in Aachen ausschöpfen können. Die Stadt Aachen braucht bei der sensiblen Kostensituation im Stadthaushalt kein Prestigeprojekt und schon gar nicht ein hochstilisiertes Jahrhundertprojekt. Die Stadtväter sollten sich darum kümmern, die Stadtsubstanz zu erhalten, damit solche Fälle wie die maroden Gebäude der Feuerwehr und der Polizei erst gar nicht entstehen können. Vom Bahnhof Rothe Erde möchte ich schon überhaupt nicht reden. Die Prioritätenliste der Geldausgaben scheint mangels Masse (Geld) ziemlich gekürzt worden zu sein und die Gewichtung ist den Bürgern teilweise suspekt, also nicht zu verstehen. Und dann noch die Campusbahn dazu! Wenn sich ein Privathaushalt auch so verhält bleibt irgendwann nur die Möglichkeit der Privatinsolvenz. Der Stadt Aachen bleibt dieser Schritt erspart, was ich meiner Heimatstadt auch nicht wünsche. Der Politikern und einigen Jahrhundertprojektplanern kann ich nur wünschen, dass sie die Bodenhaftung nicht verlieren. Viele Bürger würden sich darüber freuen. Es stehen schon einige Projekte der Stadt auf „Fließsand“!

23.12.2012

WM

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